Beim Asperger-Syndrom handelt es sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung aus dem Autismus-Spektrum, die durch ein charakteristisches Muster von sozialen, kommunikativen und stereotypen, häufig wiederholten Verhaltensweisen gekennzeichnet ist. Das Asperger-Syndrom (abgekürzt AS, auch Asperger-Autismus oder Asperger-Störung ist eine nach dem Kinderarzt Hans Asperger benannte Variante.
Das Asperger-Syndrom ist durch eine meist ausgeprägte Kontakt- und Kommunikationsstörung gekennzeichnet und weist darüber hinaus einige Merkmale auf, die es vom frühkindlichen Autismus unterscheiden: Zum einen sind die Sprachentwicklung und die intellektuelle Entwicklung nicht verzögert. Zum anderen zeigen viele Menschen mit Asperger-Syndrom – vielleicht gerade aufgrund ihrer höheren Intelligenz (im Vergleich zu jenen mit anderen autistischen Störungen), die sie nicht angemessen einsetzen können – oft spezielle und ausgeprägte Sonderinteressen, die sie verfolgen und die sie in ihrer Umgebung als „extreme Sonderlinge“besonders“ erscheinen lassen, zum Beispiel Auswendiglernen von Fahrplänen, Landesflaggen und Hauptstätte, …. Nach der ICD-10 (F84.5) sind für die Diagnose eines Asperger-Syndroms folgende Merkmale erforderlich:
Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion
Die betreffenden Kinder und Jugendlichen sind sowohl in ihrem nonverbalen Verhalten auffällig,z.B. durch deutlich reduzierte Gestik, Mimik, Gebärden, Blickkontakt, als auch durch ihre Unfähigkeit, zwanglose Beziehungen zu Gleichaltrigen oder Älteren herzustellen. Dies liegt jedoch nicht zwingend am Wunsch der Betroffenen nach sozialem Rückzug, sondern vielmehr an ihrer Unfähigkeit, die Abläufe und Regeln des sozialen Miteinanders zu verstehen und sich entsprechend zu verhalten. Es besteht eine deutliche Unfähigkeit, die Gefühle anderer zu lesen, zu verstehen und emotional mitzuschwingen. Diese Schwierigkeit wird häufig auch als „Störung der Empathie“ oder auch als mangelnde „theory of mind“ bezeichnet. Sie werden auch als extreme Selbstbezogenheit beschrieben, wobei die beim frühkindlichen Autismus meist damit einhergehende extreme Abkapselung von der Umwelt beim Asperger-Syndrom deutlich weniger im Vordergrund steht. Menschen mit Asperger-Syndrom nehmen vielfältig, aber unangemessen mit der Umwelt Kontakt auf. Sie sprechen gerne und viel mit anderen Menschen, reden ausführlich von ihren Interessen, achten aber nicht darauf, ob ihr Verhalten der Situation angemessen ist und wie ihr Gegenüber darauf reagiert.
Auffälligkeiten der Kommunikation
Beim Asperger-Syndrom fehlt die für den frühkindlichen Autismus charakteristische Sprachentwicklungsverzögerung. Andere Sprachauffälligkeiten sind typisch für den frühkindlichen Autismus und kommen beim Asperger-Syndrom selten vor, wie Echolalie (echoartiges Nachsprechen von Worten und Lauten) und Pronomenumkehr, (die Kinder sprechen von sich in der dritten Person und lernen erst sehr spät, die eigene Person mit „ich“ zu bezeichnen). Dagegen sind bei Kindern mit Asperger-Syndrom häufig Auffälligkeiten in der Sprechstimme zu finden. Ihre Stimme wirkt oft monoton, eintönig und weist eine geringe Modulation auf.
Die Diagnose des Asperger-Syndroms nach ICD-10 verlangt, dass einzelne Wörter im zweiten Lebensjahr oder früher gesprochen werden, erste Sätze im dritten Lebensjahr oder früher. Die Intelligenz sollte mindestens im Normbereich liegen oder auch darüber. Allerdings werden oft die Meilensteine der motorischen Entwicklung etwas verspätet erreicht. Motorische Ungeschicklichkeit ist ein häufiges, aber für die Diagnose nicht notwendiges Merkmal.
Eingeschränkte Interessen und stereotype Verhaltensmuster
Kinder mit Asperger-Syndrom zeigen oft motorische Stereotypien und ein durch Ungeschicklichkeit, mangelnde Koordination und Situationsangemessenheit gekennzeichnetes Bewegungsmuster, was sie in ihrer Umwelt als linkisch und ungeschickt erscheinen lässt.
Interessen sind häufig auf bestimmte Themen fokussiert und ungewöhnlich. Oft zeigen sie ein Interesse an Bereichen wie Mathematik, Technik, wissenschaftlichen Teilbereichen oder Teilbereichen der Geschichte oder Geographie. Manchmal sind die Sonderinteressen auch einfach Übertreibungen verbreiteter Interessen, wie zum Beispiel Pokemon, Dinosaurier oder Computer. Diese Sonderinteressen haben jedoch oft einen erheblich störenden Einfluss auf andere Aktivitäten und beeinträchtigen die Teilnahme am alltäglichen Leben maßgeblich. Daneben sind ausgeprägte Zwänge (zum Beispiel zwanghaftes Festhalten an bestimmten Ritualen im Alltag, wie beispielsweise Zeiten, Abläufe) und Veränderungsängste (beispsielsweise nur bekannte Wege zu gehen) häufige Verhaltensauffälligkeiten.
Ebenfalls auffällig häufig sind Abweichungen bei der Wahrnehmung und Reizverarbeitung (dazu gehören unter anderem sensorische Über- und/oder Unterempfindlichkeiten sowie Schwierigkeiten bei der Reizleitung.
Manche Kinder mit Asperger-Syndrom zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Aufmerksamkeit nur schlecht willentlich steuern können (exekutive Funktionen) und bei Aktivitäten, die sie nicht selbst gewählt haben – zum Beispiel in der Schule –, in hohem Maße unkonzentriert sind, woraus sich selbst bei hoher Intelligenz erhebliche Schwierigkeiten ergeben können.
„Diese Störung der aktiven Aufmerksamkeit ist bei Kindern dieses Typs fast regelmäßig zu finden. Es ist also nicht oder nicht nur die landläufige Konzentrationsstörung vieler neuropathischerKinder zu beobachten, die von allen äußeren Reizen, von jeder Bewegung und Unruhe um sie herum von ihrem Arbeitsziel abgelenkt werden. Diese Kinder sind vielmehr von vornherein gar nicht geneigt, ihre Aufmerksamkeit, ihre Arbeitskonzentration auf das zu richten, was die Außenwelt, in diesem Fall die Schule, von ihnen verlangt.“
– Hans Asperger: Die „Autistischen Psychopathen“ im Kindesalter. S. 119.
Wenn solche Konzentrationsprobleme bestehen, kann das Asperger-Syndrom mit AD(H)S verwechselt werden. Als Lernhindernis erweist sich auch die für das Asperger-Syndrom typische Beeinträchtigung der Fähigkeit, zwischen Wichtigem und Unwichtigem zu unterscheiden.